StartseiteRhythmus und Pause (BRAC)

Ein Soliton, eine Integrationswelle kommt unter den besonderen Umständen zustande, wenn eine Vielzahl von Partialrhythmen in ihrer Frequenz so kohärent zusammenstimmen, als ob sie einen einzigen Klang bilden würden. Es ist ein wenig so, wie in der Einstimmungsphase eines Synphoniekonzertes, wo wir zunächst viele einzelne Klänge hören und für einen Augenblick ein einziger Integralklang entsteht, wenn der erste Geiger zufrieden ist. In diesem Augenblick scheint das Orchester mehr zu sein, als die Summe der Einzelinstrumente und ihrer Musiker. Unser Alltagsleben gleicht hingegen oft einem Klang der entstünde, wenn der erste Geiger – der Klangintegrator – nicht anwesend wäre, der Dirigent – unser intentionales ich – abwechselnd intensiv einzugreifen versucht und immer wieder erschöpft und ohnmächtig diesem Mißklang aufgäbe. Alle Einzelinstrumente mögen dabei korrekt und leidenschaftlich gespielt werden. Der Mangel an Abstimmung jedoch verhindert die Leichtigkeit des Gelingens für den Dirigenten vollständig.

Die einzelnen »Instrumente« des Körperorchesters sind zum Teil bereits recht gut erforscht. Man kann sie grob in drei Gruppen einteilen. Die schnellen Rhythmen, deren Perioden im Bereich von weniger als einer Sekunde liegen, finden wir vor allem im Bereich der Signalverarbeitung, also im Neurosensorischen System. Die mittleren Rhythmen mit Perioden im Sekunden- und Minutenbereich beherrschen Atmung und Kreislauf, also das Kardiovaskulär-Respiratorische System. Verdauungs-, das heißt Energiegewinnungs-, Erholungs-, Heilungs- und Lernprozesse sind an Rhythmen gebunden, die im Periodenbereich von Stunden bis Wochen liegen. In traditionellen Kulturen werden die mit der Gesundung zusammenhängenden langwelligen Rhythmen durch die sozialen Vereinbarungen von Tages-, Wochen- und Jahresrhythmen gepflegt. Dies war auch in den westlichen Kulturen bis vor wenigen Jahren in beschränktem Umfang so und ist es noch zum Teil in ländlichen Regionen. Urbane Welten hingegen fördern ein Klima sogenannter Spontaneität, in der es als Ideal gilt, hedonistischen Impulsen möglichst ohne Aufschub folgen zu können. Parallel dazu breitet sich ein Gesundheitsmarkt aus, der die dadurch entstehenden Gesundheitsdefizite durch ein nicht säkuläres Übungsprogramm auszugleichen versucht (Yoga, Tai-Chi, Pilates...). Viele dieser Übungsprogramme beruhen auf mehr oder minder starren Vorschriften, dier meisten beziehen die Atmung so mit ein, dass der Atemrhythmus einem vorgegebenen Puls entsprechend manipuliert wird. Auch der größere teil der Übungsprogramme für HRV benutzt ein sogenanntes Atem-Pacing, darunter versteht man eine metronomartige Atemfrequenzvorgabe im Bereich von sechs Atemzügen pro Minute. Dadurch wird der Variabilität des herzrhythmus durch die Atmung die feste Frequenz von 0,1 Hertz aufgeprägt. Dies hängt damit zusammen, dass sich im Rahmen vieler Studien gezeigt hat, dass ein Schwanken der Herzfrequenzvariabilität im Bereich um 0,1 Hertz mit einer ausgeglichenen neurovegetativen Lage einhergeht.

Übertragen auf unser Orchesterbeispiel ist das so, als ob die hauptsächlich rhythmustragenden Instrumente der Beliebigkeit anheimgestellt wären und die mittleren Rhythmen ersetzt würden durch die Mechanik eines Metronoms. Das Zusammenstimmen im Sinne eines Solitons, und damit einer nahezu unerschöpflichen Kraftquelle wird damit nicht gefördert. Es kann im Gegenteil eine weitere Streßquelle entstehen, einerseits durch die Einpassung dieser Kurse in den ohnehin meist schon überlasteten Alltag und andererseits durch die ungeeignet starren Eingriffe selbst.

Wenn durch groß angelegte Studien gefunden würde, dass die durchschnittliche Schaukelfrequenz von Kindern im Bereich von 0,5 Hz läge, was durchaus realistisch ist, was geschähe wohl, wenn Eltern versuchen würden ihr einzelnes Kind so anzuschubsen, dass sie wie von einem Metronom angetrieben alle zwei Sekunden der Schaukel einen Stoß geben würden? Mit Ausnahme ganz seltener Glücksfälle würde die ganze Palette von verdorbenem Schaukelspaß bis hin zu schweren Stürzen geschehen. Niemals kann ein in der biologischen Streuung verdurchschnittlichtes Maß als Anleitung zur Rhythmisierung des Einzelnen gelten. Hinweise wo man etwa mit dem eigenen Versuchen beginnen könnte, lassen sich gleichwohl daraus ableiten.

Durchschnittliche 90-Minuten Rhythmen gestalten einen gesunden Schlaf. Ein solcher 90 Minuten Rhythmus findet sich auch tagsüber. Er wird Basic-Rest-Activity-Cycle (BRAC) genannt. Die physiologischen Forschungen hierzu sind nur wenige Jahrzehnte alt. Die gesundheitsfördernde Wirkung eines rhythmischen Wechsels extensiver und intensiver Tätigkeit ist hingegen seit vielen Jahrhunderten Bestandteil traditioneller Kulturen. In formal vollendeter Form findet man sie beispielsweise in der im 5. Jhdt. Nach Christus von Benedictus geprägten Klosterregel des Tagesablaufes. Auch hier gilt das oben Gesagte: die meisten von uns werden sich weder kollektiv zur Klosterglocke im Gebet versammeln noch auf den Ruf des Muhezin nach Osten verbeugen wollen. Die Erkenntnisse der Chronobiologie hingegen für eine individuelle Tagesplanung zu benutzen, kann unsere Ich-Stärke fordern und fördern.



Mein Vorschlag: Nehmen Sie einen freien Tag in Ihrer gewohnten Umgebung, in einem möglichst gut ausgeschlafenen Zustand. Machen Sie sich alle 15 Minuten eine kurze Aufzeichnung darüber, wie hoch sie Ihren Wachheitsgrad (Vigilanz), Ihre Leistungsbereitschaft und Ihr Ruhe- oder Rückzugsbedürfnis einschätzen. Benutzen Sie dazu eine Skala von 1 - 7. Tragen Sie diese Werte wie im nebenstehenden Beispiel mit drei verschiedenen Farben in ein Diagramm ein, das Ihnen den Tagesverlauf dieser Parameter zeigt. Sie werden sehen, dass sich ein Rhythmus durch Ihren Tag hindurchzieht, dessen Periodendauer zwischen 80 Minuten und zwei Stunden liegen wird. Ausgehend davon können Sie nun beginnen einige zusätzliche kurze Pausen in Ihre tagesplanung aufzunehmen. Immer dann wenn der Wachheitsgrad und die Leistungsbereitschaft gering, Ruhe- und Rückzugsbedürfnis hoch sind, können Sie für sich eine kurze Pause vorsehen. Wenn ich dies mit den Burnout Betroffenen bespreche, kommt routinemäßig und automatisch eine bestimmte Reaktion: dass das unter ihren jeweiligen speziellen beruflichen, organisatorischen oder zeitlichen Bedingungen absolut unmöglich praktisch umzusetzen sei. Selbstverständlich könnte man davon träumen, dass ein Leiter eines Unternehmens oder einer Institution dies liest, und so erfolgreich sein möchte, dass er die räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen schafft, für ein gesundheitsförderndes Pausenmanagement. Bis dahin wird der Einzelne sich die gleichen Rechte und Orte erkämpfen oder benutzen müssen, wie man sie dem nicht gerade gesundheitsbewussten Raucher uneingeschränkt zugesteht. Alle ein bis zwei Stunden die Raucherecke, den Balkon, oder die Toilette aufzusuchen, um eine Zigarettenpause einzulegen.

Ist es gelungen einen einzelnen Betroffenen zu einem solchen Selbstversuch eines BRAC orientierten Pausenmanagements einzuladen, dann ist die Resonanz regelmäßig überrascht und überraschend positiv. Die Pause kann sehr kurz sein. 5 - 10 Minuten genügen oft. Und es sollte eine wirkliche Pause sein. Ganz sicher ist es keine Pause, wenn neben einem kleinen Snack noch kurz die e-Mails gecheckt, der Stundenplan korrigiert oder die Sportnachrichten gelesen werden. In der Pause kann man eine körperliche Energieübung, Cardioception, Anafonesis, HEG oder eine andere kohärenzfördernde Methode üben. Man kann auch eine kurze CefaloStim Passage hören. Und man kann dem Stoffwechsel ein Signal senden, dass man die Energiegewinnung nicht aus dem Auge verloren hat. Das hat nichts mit »5 kleinen Mahlzeiten« zu tun. Sie haben im Ernährungsabschnitt gelesen, dass wir davon eher abraten. Es geht lediglich um ein Signal, nicht um Ernährung. Drei bis fünf gut gekaute Mandeln, ein Paar getrocknete Aprikosen, ein Stück Obst oder etwas vergleichbares dieser Art.


Je länger die Perioden sind, die wir rhythmisch gestalten können, um so wirksamer ordnen sich dadurch die kurzwelligeren biologischen Rhythmen. Wenn Sie es also schaffen, Ihrer Woche feste, unverrückliche und selbstbestimmte Pausen der Nicht-Notwendigkeit einzuprägen, werden Sie in vergleichsweise kurzer Zeit die positiven Effekte des BRAC Pausenmanagements noch steigern. Dies kann beispielsweise ein Beziehungsabend, ein fester Termin für kreatives Schaffen, für nicht leistungsorientierten Sport oder Tanz sein, den Sie auch dann einhalten, wenn die äußeren Anforderungen dies anscheinend keinesfalls erlauben. Bedenken Sie: im Vollbild der Burnout Krise müssen Sie manchmal von einem Tag zum Anderen alle, auch die scheinbar unumgänglichsten Verpflichtungen lassen. Ihre Autonomie hingegen wächst, wenn Sie die Pausen auch dann machen, wenn Sie noch können, aber anscheinend nicht dürfen.